adaequat

adaequat ist ein vierwöchiges „Übungsprogramm“, ein Selbstexperiment im Stil einer cultural probe aus dem Design Thinking, das dazu einlädt, sich persönlich auf die Suche nach dem rechten Maß zu machen. Dazu werden Hintergrundinformationen und Rahmenbedingungen für kleine Experimente gestellt, mit denen man jeden Tag sein Verhalten und seine eigene Umwelt erforschen kann.

Ausgangspunkt ist die Idee der Suffizienz als gelebte Nachhaltigkeitsstrategie und Form einer neuen Alltags- und Lebenskultur mit den Leitbegriffen weniger, langsamer, regionaler und eigenständiger.

 

 

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Hierbei habe ich einen Ansatz gewählt, der dort beginnt, wo uns der Wandel am schwierigsten zu fallen scheint, nämlich in uns selbst. Gleichzeitig gilt er auch als Entwurf eines neuen, reduktiven und selbtbestimmten Lebensstils, der die eigene Wahrnehmung vom reinen Konsumenten zum Prosumenten mit Mitgestaltungsanspruch verschiebt.

Meine Intention war, ein Konzept zu entwickeln, das sich nicht auf Aufklärung beschränkt, sondern die Person, die sich verändern soll, in den Mittelpunkt stellt, ihr die Möglichkeit bietet, in täglichen keinen Schritten selbst aktiv zu werden und das durch körperliches und gedakliches Erlebbar-Machen einen inneren Wandel anstößt, der sich idealerweise in einer Änderung des Habitus manifestiert.

Sollten wir uns nicht jeden Tag fragen:
„Was mache ich da überhaupt?“
Ist mein Verhalten, mein Lebensstil eigentlich angebracht? Was ist richtig, was ist falsch und gibt es das überhaupt? Gibt es einen Maßstab?
Der Lebensstil den wir praktizieren, der „Wohlstand“ den wir genießen, basiert auf der Ausbeutung von Mitmenschen, Tieren und der Natur von der wir immer umgeben sind. Das ist uns mittlerweile ziemlich genau bewusst.
Doch was tun wir?
Vielleicht kaufen wir nun „grünere“ Produkte, tauschen andere durch noch effizientere und somit „umweltfreundlichere“ aus und vergessen dabei, dass die beste Idee vielleicht gewesen wäre, es einfach ganz zu lassen. Doch wir fühlen uns besser, haben scheinbar nachhaltig gehandelt und etwas „für“ die Umwelt getan indem wir dies oder jenes gekauft haben. Und kaufen gleich noch eins davon. Hallo Rebound-Effekt.
Das ist nun einmal unsere gewohnte Art Problemen zu begegnen. Wie kommen wir also vom Umdenken zum „Umhandeln“? Wie brechen wir aus der Passivität der Alltagslethargie und unserem System von verinnerlichten Mustern, unserem Habitus aus? Was hindert uns daran? Sind wir es selbst? Die Menschen, die uns umgeben, die Strukturen, in denen wir leben, die Erwartungen, die an uns gestellt werden?

Das Experiment adaequat lädt ein, in die Rolle eines Alltagsforschers zu schlüpfen und die eigene Umgebung, eigene Verhaltensweisen und tägliche Lebenskultur zu untersuchen und Alternativen aufzuspüren. Denn Veränderung muss selbst erlebt und immer wieder eingeübt werden. Menschen sind Gewohnheitstiere und funktionieren am bequemsten in Routinen und bekannten Deutungsmustern. Deshalb müssen wir unsere Perspektive wechseln, Veränderung selbst spüren und Teil davon werden. Nur so durchbrechen wir die „Mind-Behavior-Gap“.
Anstatt auf das Angebot von Pseudolösungen zurückzugreifen, beginnen wir, selbst an der Entwicklung echter Lösungen teilzunehmen. Wir verlassen unsere Komfortzone, leisten Widerstand, gegen uns selbst und die Erwartungen anderer.
Die Suffizienz, das rechte Maß, als Nachhaltigkeitsstrategie unterscheidet sich von weit bekannteren Ansätzen wie Effizienz und Konsistenz dadurch, dass sie eine Verhaltensänderung beinhaltet. Sie setzt also nicht primär auf eine Rettung durch Technik mit ansonsten gleichbleibenden Strukturen. Das heißt, nicht mehr nur die Symptome sollen bekämpft werden, sondern sich auch Gedanken über die Auslöser gemacht werden.
Das bedeutet eine Transformation unseres energie- und materialintensiven Lebensstils. Dem voran steht ein Paradigmenwechsel bezüglich unserer Definition von Lebensqualität und ein Lösen unseres Fokus aufs Streben nach materiellem Wohlstand.

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1 – ENTRÜMPELUNG

In der ersten Woche geht es darum, sich ein Stück weit zu befreien, Ballast abzuwerfen, die persönliche Abhängigkeit von Besitz zu untersuchen, zu hinterfragen und einen Versuch zu starten diesen zu reduzieren. Denn sind wir nicht schon längst übersättigt? Würden wir uns durch eine weise Beschränkung auf das Nötigste nicht selbst einen Gefallen tun? Entrümpelung wird oft mit Verzicht assoziiert. Der Versuch einen verträglichen Lebensstil zu finden, bedeutet aber vielmehr eine Maximierung von Genuss. Denn Glück kann verschleißen. Glück maximiert sich nicht parallel zur Menge oder ständigen Erneuerung des Besitzes. Durch intelligente Reduktion kann Glück wieder bewusster und intensiver wahrgenommen werden, wir können das Besondere wieder erkennen. Ist das Weglassen vielleicht eine Chance auf etwas Besseres? Etwas Intensiveres? Intensivere Beziehungen zu Mitmenschen, Umgebungen und Dingen. Ist es die Grundlage für einen Lebensstil, der befreiender und befriedigender ist als unser gegenwärtiger?

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2 – ENTSCHLEUNIGUNG

Wir stehen unter einem Beschleunigungszwang und permanenten Innovationsdruck, da die Wirtschaft von einem ständigen Wachstum lebt. Denn die Zeit können wir nicht vermehren, deswegen müssen wir sie sozusagen verdichten (Hartmut Rosa). Jedoch übersteigt diese Verdichtung mittlerweile meist jedes menschliche Maß. Wir brauchen eine dem Mensch angemessene Geschwindigkeit. Deshalb machen wir uns auf die Suche nach unserem persönlichen, individuellen Tempo, das uns erlaubt, noch in wirklichen Kontakt mit der Welt, mit Menschen und der Natur, treten zu können. Damit wir unsere Lebenszeit wieder als unser Leben wahrnehmen.

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3 – ENTFLECHTUNG

Sieht man ein Produkt im Geschäft, sieht man ihm für gewöhnlich nicht an, wo es herkommt, wie, wann, von wem und unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. Die Ressourcen, Transportwege, Arbeit und Energie, der ganze Weg, der zwischen Rohstoffen und Erzeugnis liegt, ist für uns fast nicht mehr nachvollziehbar. Eine Entflechtung in diesem Sinne bedeutet, sich die globalisierten Wertschöpfungsketten und ihre Folgen bewusst zu machen und daraus Konsequenzen für das tägliche Handeln und Konsumieren abzuleiten.

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4 – ENTKOMMERZIALISIERUNG

Unser Leben ist ausgerichtet auf Erwerbsarbeit. Das Bildungssystem unterrichtet nach ökonomischen Aspekten. Alles ist durchkapitalisiert, für jede noch so abwegige Nachfrage gibt es ein Angebot und umgekehrt wird zur Not die Nachfrage mit den entsprechenden Mitteln generiert. Wir selbst bekommen fast keine Fähigkeiten mehr vermittelt, die unsere Eigenständigkeit fördern. So werden wir infantilisiert, obwohl wir im Grunde in der Lage wären unsere wirklichen Bedürfnisse größtenteils selbst zu befriedigen. Stattdessen werden wir ständig auf irgendeinen weiteren Mangel hingewiesen. Wie können wir uns wieder unseres eigenen Alltags bemächtigen? Wie werden wir unabhängiger und selbstbestimmter?

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Bachelorarbeit: Winter 2014/15
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
Betreut durch: Prof. Carl Frech & Dr. Phil. Christian Bauer

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