Chocotopia 2036

Das Projekt Cacao de Paz (dt.: Friedenskakao) widmet sich der Suche nach Möglichkeiten zum Aufbau nachhaltiger Anbau- und Handelsstrukturen in der Kakaobranche auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene.
Die in diesem Rahmen entstandene utopische Erzählung Chocotopia 2036 präsentiert Lösungsvorschläge unter Berücksichtigung der Bedürfnisse, Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Beteiligten der Wertschöpfungskette. Den Kern der Erzählung bilden Darstellungen zukunftsfähiger Anbau-, Transport- und Konsumformen.

Heute decken insgesamt 5,5 Millionen Kakaobäuerinnen und Kakaobauern den weltweiten Bedarf an Rohkakao. Die größtenteils im globalen Norden konsumierten Kakaoprodukte werden im globalen Süden produziert. Die momentane Situation des Großteils der Kakaobäuerinnen und Kakaobauern und deren Familien ist geprägt von unfairer Bezahlung, unwürdigen Arbeitsbedingungen, Ernährungsunsicherheit, mangelnder Gesundheitsversorgung und fehlenden Bildungsmöglichkeiten. Ertragreiche Kakaoernten werden auf Monokulturen durch den übermäßigen Einsatz von Düngern und Pestiziden ermöglicht, der Transport basiert weitestgehend auf fossilen Energieträgern und herkömmliche unreflektierte Konsumformen sind somit ressourcenintensiv.

Mit Blick auf diese Gegebenheiten entstand in Zusammenarbeit zwischen uns Studierenden und dem Agrarwissenschaftler Dr. Uwe Meier ein gemeinsames Projekt. Letzterer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit und war unter anderem für die Umweltschutzorganisation Rainforest Alliance tätig, die er bei der Festlegung der Standards für ihr Umweltsiegel unterstützte. Doch von dieser Vorgehensweise ist er nicht mehr überzeugt und sucht im Sinne des Friedenskakaos nach ganzheitlich nachhaltigen Kakaoanbau und -handelsmethoden. Er hält ein System das auf gegenseitigem Vertrauen basiert für sinnvoller und nachhaltiger.

Nach eingehender Recherche, Analyse und dem Ermitteln von Trends und innovativen Strategien entwarfen wir eigene Konzepte und Visionen für einen alternativen Kakaoanbau und -handel. Wir entwickleten drei Geschäftsmodelle, die die unterschiedlichen Maßstäbe des transnationalen, fairen Handels besonders deutlich abbilden: Choconservationcompanies – als Vorbild für Großkonzerne wie Nestlé oder Cargill, Chocommunities – Optionen für kleine und mittelständische Unternhemen und Choconnection – eine innovative Plattform für die direkte Handelsbeziehung zwischen Kakaoproduzierenden und Konsumierenden.

Als Transformation Designer wollen wir zum Umdenken anregen und Handlungsspielräume aufzeigen. Die Szenariomethode bietet hierbei eine effektive Möglichkeit, das Publikum in einen anderen Referenzrahmen zu versetzen und gedankliche Barrieren zu durchbrechen. So entwickelten wir das Zukunftsszenario Chocotopia 2036 in Form eines utopischen Zustandsberichts, der den Leser auf eine Reise mitnimmt, die die Welt des Kakaos von morgen erlebbar macht. Die Storytelling-Methode ermöglicht auf diese Weise einen Zugang zu potentiellen Zukünften und gibt Anstöße, wie diese erreicht werden könnten indem durch das sogenannet Backcasting erzählt wird, wie es zu dem Beschriebenen kommen konnte. Eine erhöhte Identifikation mit dem Thema und der Bezug zum eigenen Leben wird dabei durch das Einbinden realer Ereignisse, Institutionen oder Personen hergestellt. Bereits existierende Lösungsansätze (bspw. Solidarische Landwirtschaft, soziale Netzwerke, Genossenschaften) werden aufgegriffen, kombiniert und weiterentwickelt, erleichtern die Vorstellbarkeit des Gelesenen und motivieren so zur Umsetzung. Wichtig sind dabei Skalierbarkeit und Übertragbarkeit auf andere Handelsbereiche, die mit ähnlichen Bedingungen konfrontiert sind.

Die Projektpräsentation umfasste einerseits eine Schatzkarte, die illustratorisch Hinweise auf die mögliche Welt des Kakaos von morgen gibt, sowie eine »Flaschenpost aus der Zukunft«, in der aus dem Jahr 2036 berichtet wird.

Die Schatzkarte und die ganze Geschichte von Chocotopia 2036 kann hier heruntergeladen werden: Chocotopia 2036 Szenarien

Einen Bericht über das Projekt finden Sie hier.

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Zusammenfassungen und Ausschnitte aus den drei Modellen:

CHOCONSERVATION COMPANIES

Großkonzerne haben sich zu produktions- und konsumgenossenschaftlichen Unternehmen entwickelt und decken den internationalen Grundbedarf an Schokolade. Sie betreiben den Kakaoanbau nach dem Prinzip der Agroforstwirtschaft und sorgen, im Sinne der nachhaltigen Choconservation, auf Plantagen im Stil großer Nationalparks für ein biodiverses und stabiles Ökosystem, sodass der jährliche Ertrag an Kakao weitestgehend konstant bleibt. Daher stehen heute nicht nur der Anbau und Vertrieb von Kakao auf dem Plan, sondern es werden auch die Produkte der anderen Nutzpflanzen geerntet, veredelt und gehandelt. Diese dienen in möglichst großer Vielfalt der Stabilität des Ökosystems. Ein stabiles Ökosystem ist ein dynamischer Komplex von Gemeinschaften aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, die als funktionelle Einheit in Wechselwirkung stehen. Besonders wirksam lassen sich dabei unter Anderem folgende Arten kombinieren: Süsskartoffel, Konsumbanane und Kochbanane, Manjok, Kautschuk, Palmitos, Kaffee, Papaya, Mango und Ananas.
Die Choconservation Companies verpflichten sich den Zielen einer nachhaltigen Produktion nach dem Vorbild einer globalen Kreislaufwirtschaft und setzen nicht mehr auf kurzfristige Gewinnmaximierung und Wachstum um jeden Preis, sondern auf dauerhafte wirtschaftliche Stabilität im Sinne einer Postwachstums-Ökonomie.
Ehemalige emissionsschwere Containerschiffe wurden zu sogenannten Containersailern umgebaut, die emissionsfrei durch Windenergie ihren Zielhafen mit großen Abnahmemengen Kakao erreichen. Zur Nutzung der Kapazitäten auf dem Rückweg zu den Erzeugerländern, werden die Schiffe mit einem ökosystemfreundlichen Instrumentarium ausgestattet, das das Einsammeln des Plastikmülls in den Meeren ermöglicht. Müllvorkommen werden geortet, fachgerecht an Bord des Schiffes zerhexelt und gepresst. Das Granulat wird in Upcycling-Anlagen im Zielhafen weiterverarbeitet und dient unter anderem als Druckmasse für 3D-Drucker. Die Containersailer sind außerdem ein beliebtes Transportmittel unter Touristen, die dem Trend des entschleunigten Reisens folgen.
Auch im sozialen Bereich haben sich die ehemaligen Marktführer an neue Trends angepasst: Durch Job-Sharing können Berufsfelder innerhalb der Branche entlang der Wertschöpfungskette getauscht und geteilt werden und so neue Erfahrungen gesammelt und unternehmensinterner Austausch ermöglicht werden. Arbeitsfelder sind unter anderem der Dschungelgarten, das Management, die Landschaftsarchitektur, die Biologie, aber auch Reederei, Seefahrt, die Schokoladenveredelung, ebenso wie die Produktionsleitung oder der Tourismus.

CHOCOMMUNITY

Mittelständische Unternehmen haben sich zu gemeinwohlorientierten Kooperativen, den Chocommunities, zusammengetan. Die Basis für den täglichen Umgang bilden Gemeinschaft, Wertschätzung und Vertrauen. Die Kooperativen entstehen sowohl auf Produzentenseite (coopitos) also auch auf Konsumentenseite (z.B in SharedChocolateSpaces). Das ermöglicht die Verhandlung fairer Preise, Wissensaustausch und eine neue Gemeinschaft rund um das Produkt Kakao.
Das fertige Schokoladenprodukt wird in großen Brocken, als warme Fass-Schokolade zum Zapfen, in Pulverform oder als Schokoladendampf an Schokoladentheken in Supermärkten verkauft. Zur Erntezeit gibt es zweimal im Jahr Schokoladenfeste in denen die Konsumenten die erfolgreiche Kakaoernte und neu eingegangene Lieferungen feiern. Die Festlichkeiten bieten besonderen Anlass zum achtsamen und gemeinsamen Konsum von Schokolade, zur Rückbesinnung auf die Ursprünge des Produkts, zum Erkunden neuer Geschmäcker und zur Stärkung der persönlichen Bindung zum Lieblingschocolatier.
Die gelebte Praxis beweist, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Motivationspsychologie schon vor Jahren in Studien feststellten: Wertebasierte Kooperation motiviert im Arbeitsalltag weit mehr und langfristiger, als das in traditionell aufgestellten Unternehmen etablierte Konkurrenzprinzip. Kleinunternehmende, die zu langsam auf die neuen Werte in der sich wandelnden Arbeitswelt reagierten, verloren ihre Beschäftigten an beliebtere Arbeitgebende und scheiterten schnell auf dem Markt.

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CHOCONNECTION

Eine weitere Form des Kakaohandels stellen die Choconnections dar, die den direkten Kontakt des Produzierenden zum Konsumierenden ermöglichen. Über Digital Market Places, bieten sie ihre Produkte zum Verkauf an und haben die Möglichkeit die Kundschaft direkt zu kontaktieren. Ebenso können Konsumierende Rückfragen, Wünsche und Vorlieben direkt an einen Jungle Gardener senden. Es entwickelte sich die Team-Co-Creation-Platform »Choconnect«, bei der beide Parteien von einander lernen und profitieren. Die einem virtuellen Marktstand ähnelnde Beziehung von Erzeugenden und Konsumierenden lässt Kakao zum Vermittler zwischen Kulturen werden. Auf der Plattform wird zunehmend über ausgefallene Schokoladenvarianten diskutiert, und immer mehr customized Waren verlassen die lokalen Produktionsstellen. Das Prinzip wird auch als transatlantische Gemüsekiste bezeichnet, bei der das Kakaoprodukt via Drohne direkt verschickt wird. Die Drohnen nutzen dabei parasitär die Containersailer zu Überquerung der langen Strecke über den Ozean.
Seit 2025 gibt es sogenannte Cocoa Labs, ein Zusammenschluss von Kakao-Erfahrenen der lokalen Bevölkerung und internationalen Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. Es gibt Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten der Kakaoanbaumethoden und -verarbeitung und stellt Werkzeuge und Maschinen zur eigenen Produktion von Schokolade und anderen Kakaoerzeugnissen zur Verfügung.

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Ein Projekt von:

Isabella Tober
Lucas Kuster
Franzisca Rojas-Bergan
Hermine Poschmann
Deniz Senyurt
Yibo Zhang

Betreut durch:

Prof. Dr. Wolfgang Jonas
Dr. Saskia Hebert

Dr. Uwe Meier
Sarah Zerwas
Kristof von Anselm

MA Transformation Design
HBK Braunschweig
Sommersemester 2016

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